Platte des Monats
Cornelius - Mellow Waves [Rostrum Records]
Keigo Oyamada hat es endlich wieder getan! Nach elf langen Jahren veröffentlicht die Shibuya-Kei Legende unter seinem Pseudonym Cornelius sein sechstes Studioalbum „Mellow Waves“. Dabei greift er wieder tief in die musikalische Trickkiste und zaubert nicht nur verschrobene Gitarrensoli und entrückte Synthesizerklänger hervor, sondern weiß auch durch ein ausgefeiltes Konzept zwischen Improvisation und Komposition zu überzeugen!
Das Shibuya-Viertel der japanischen Hauptstadt Tokyo musste schon für einige musikalische, mehr oder wenige fragwürdige Konzepte als Namensgeber herhalten. So stand der Stadtteil nicht nur Pate für die gleichnamige Karaokesendung auf dem ehemaligen deutschen Musiksender VIVA, sondern war glücklicherweise auch die Geburtsstätte des japanischen Musikgenres Shibuya-Kei, das zu einer Untergattung des J-Pops zählt. Dieses setzt sich überwiegend aus Elementen des Jazz und Ambientsounds zusammen und ist ausufernden Klangexperimenten von Haus aus nicht abgeneigt.
Pet Sounds auf Japanisch?
Dieses Musikgenre hat Cornelius bereits Ende der achtziger Jahre mit seiner tokioter Rock Band „Flippers Guitar“ ordentlich aufgemischt und mit drei Studioalben entscheidend mitgeprägt. Nachdem sich seine Band 1991 aufgelöst hat, wandelt der Klangtüftler nun auf eigenen Pfaden. Cornelius, der in Fachkreisen auch gerne der „japanische Brian Wilson“ genannt wird, hat nun nach seiner letzten Platte, "Sensuous", sein sechste Studioalbum „Mellow Waves“ veröffentlicht. Und man muss sagen, sein Ruf als asiatischer Beach Boy ist zweifelslos berechtigt.
Was zur Hölle?
Bereits das Artwork von "Mellow Waves" löst beim Betrachter durch seine schwarz-weiße Landschaftskollage gleichzeitig Faszination und Neugierde aus. Hier gibt Cornelius schon von Anfang an zu erkennen, dass er seine Musik selber als Gesamtkunstwerk betrachtet und nichts dem Zufall überlässt. Und wer weiß, so manch ein Freudianer hätte sicherlich Spaß daran, anhand der dargestellten Szenerie aus Hügeln und einem großen Spalt, seine eigenen Rückschlüsse zu ziehen.
Improvisation trifft auf Komposition
Schon mit dem Opener „If You’re Here“ legt Cornelius die Karten auf den Tisch und gibt den sprichwörtlichen Takt für das Album vor: Langsam, sogar sehr langsam. Hier zeigt sich der Japaner von seiner besten Seite und vereint alles, was das Shubuya-Kei auszeichnet. Die entschleunigten Beats aus dem Drumcomputer tun ihr übriges und bieten dem entrückten Gesang die perfekte Grundlage, um den Hörer mit japanischen Gesängen in eine andere Welt zu entführen. Dominiert wird der Song aber letztlich von Cornelius Gitarrenarbeit, die irgendwo zwischen Improvisation und ausgeklügeltem Arrangement wild oszilliert, aber nie überfordert. Hier wirkt es, als hätte Cornelius einzelne Songbausteine auf dem Boden ausgebreitet und in Kleinstarbeit feinsäuberlich wieder zusammengesetzt.
"Was die Welt im inneren Zusammenhält..."
Dieses musikalische Konzept zieht sich das gesamte Album hinweg durch und es scheint, als wären die Synthesizer der musikalische Kit, der die Klangwelt von Cornelius zusammenhält. In jedem Song des 41 Minuten langen Albums, spielen die elektronischen Klänge eine mehr oder weniger prominente Rolle und bieten dem Künstler so die Chance, knurrende Bässe, Talkbox-Effekte, Rhodes Piano und Farbkleckse seiner elektrischen Gitarre effektvoll in Szene zu setzen.
Zurück zur inneren Ruhe
Elf Jahre nach seinem letzten Album ist es Cornelius mit „Mellow Waves“ gelungen eine Platte aufzunehmen, die von Anfang an fasziniert. Es ist fragil und kraftvoll zugleich und es ist eine wahre Freude, in die Strukturen jedes einzelnen Songs einzutauchen und immer wieder neue Facetten ans Tageslicht zu fördern. Cornelius beweist mit „Mellow Waves“, dass er ein Meister der Entschleunigung ist und dass Schnelligkeit nicht immer mit Aufregung gleichgesetzt werden sollte. Weniger ist eben auch bei Cornelius manchmal mehr!
Mellow Waves erschien am 21. Juli 2017 bei Warner Music Japan / Rostrum Records.